Näh-Wissen: Veganes Leder | Myx, MuSkin, Piñatex
von Sabine Schmidt
Gerade sind wir noch mit Leder-Alternativen wie SnapPap und Korkstoff beschäftigt, da zeigen sich schon neue Sterne am Materialienhimmel! Veganes Leder ist voll im Trend – zurecht, finden wir.
Veganes Leder: Eine echte Alternative?
Damit du den Durchblick behältst, wie weit Forschung und Designer aktuell sind, geben wir dir in diesem Beitrag einen kleinen Überlick. Und damit das DIY-Erlebnis nicht zu kurz kommt, haben wir weiter unten im Artikel auch noch eine Anleitung für dich, mit der du selbst Leder aus Pilzen herstellen kannst. 🙂
Veganes Leder aus Pilzen: Myx & MuSkin
Stichwort: Myx. Dabei handelt es sich um ein lederartiges Material, das aus Pilzen hergestellt wird. Ganz neu ist diese Idee nicht: Vor ein paar Jahren hat bereits der dänische Produkt-Designer Jonas Edvard mit Material aus Pilzen experimentiert. Das Ergebnis war MYX, aus dem er dann beispielsweise Lampenschirme angefertigt hat.
Seit der Veganismus salonfähig geworden ist, trauen sich auch bei uns immer mehr Menschen an den neuen Wunderstoff heran. Zum Beispiel, indem sie selbst im Wohnzimmer veganes Leder züchten. Aus einem Mix von Kombucha-Pilzen, Wasser, Zucker, Apfelessig und Grüntee (eine Anleitung dazu findest du hier). Diese Zutaten fermentieren und bilden nach einer Weile eine feste Haut, die man abnehmen, trocknen und anschließend nähen kann.
Die in Berlin lebende Künstlerin Suzanne Lee erforscht seit Jahren im Rahmen ihres Projekts BioCouture die Möglichkeiten mikrobiell hergestellten Leders. Ihr geht es dabei vor allem um die Nachhaltigkeit des lederähnlichen Materials. Der Herstellungsprozess sieht dabei so aus:
Auf diese Weise entstehen sogar Biker-Jacken.
Was zunächst nach einer zukunftsfähigen, ökologisch sinnvollen Alternative zu Leder klingt, ist leider derzeit noch keine: Das Pilz-Leder ist nicht wasserfest. Es saugt Flüssigkeit auf wie ein Schwamm, quillt und beginnt, sich zu zersetzen. Schlechte Voraussetzungen für Schuhe, Jacken und Co.
Für den Einsatz im medizinischen Bereich sind diese Eigenschaften allerdings interessant. Deshalb wird derzeit geforscht, ob ein Einsatz des Pilz-Stoffs als Haut- oder Knochen-Ersatz möglich ist.
Aber weil die Idee, nachhaltige Kleidung aus nachwachsenden Rohstoffen (selbst!) herzustellen, einfach zu gut ist, wird natürlich weitergeforscht. Und auch schon produziert. Bei Fungi.com kann man beispielsweise schon jetzt Handtaschen aus Pilz-Leder bestellen:
Inzwischen bietet die italienische Firma Grado Zero Espace auch das Rohmaterial, MuSkin genannt, an. Bestellen kann man es hier.
Ein interessantes Projekt – vielleicht sogar ein echtes Langzeit-DIY? Falls du Lust hast, einen Selbstversuch mit Suzanne Lee’s Kombucha-Leder zu starten, kommt hier das Rezept dafür:
Es wird sicher nicht lange dauern, bis die ersten Clutches aus MuSkin bei uns auftauchen.
Im Sinne der Nachhaltigkeit echt zu begrüßen. Und was die Ästhetik angeht, bleibt man steigerungsfähig.
Ein neuer Stern am veganen Leder-Himmel: Piñatex
Während man noch am Pilz-Leder forscht, hat schon ein neuer Star die vegane Bühne betreten: Leder aus Ananas-Blättern. Es firmiert unter dem Namen Piñatex. Der Name setzt sich zusammen aus Piña (spanisch für Ananas) und textil. Piñatex scheint einen im Großen und Ganzen vielversprechenden Ansatz zu verfolgen.
Erfunden wurde Piñatex von der spanischen Designerin Carmen Hijosa. Sie entdeckte vor rund 8 Jahren auf den Phillipinen, dass es möglich ist, aus Ernteabfällen von Ananasfrüchten ein lederartiges Material herzustellen. Wichtig war ihr dabei, dass das Material fair, ressourcenschonend in Herstellung, umweltverträglich Entsorgung sowie tierleidfrei sein sollte – und vor allem preisgünstig. Sie gründete die Firma “Ananas Anam” und stellt seitdem Schuhe, Kleidung, Accessoires und sogar Sofas aus dem Ananas-Leder her.
Das Material erinnert von der Struktur her an derbes, grob genarbtes Leder. Es besteht zwar aus Fasern, wird aber nicht zu Fäden versponnen und dann gewirkt. Carmen Hijosa beschreibt auf ihre Website den Herstellungs- und Recycle-Prozess ihrer Erfindung. Das Gute an Hijosas Erfindung ist nicht nur, dass sich Piñatex als alltagstauglich erweist sondern dass es gleichzeitig eine neue Einnahmequelle für die philippinischen Ananas-Bauern bedeutet. Sie können ihre Ernteabfälle recyclen und müssen keine neuen Felder anlegen, um den Rohstoff anzubauen.
Inzwischen scheint das Material salonfähig geworden zu sein: Firmen wie Puma und Camper sind auf die Leder-Alternative aufmerksam geworden. Designer stellen Taschen aus Pinatex her. Und die ersten Schuhe sind bei Amazon erhältlich:
Das Rohmaterial ist wohl aktuell noch nicht auf dem deutschen Markt erhältlich, soll aber mit rund 25 Euro wesentlich preisgünstiger sein als tierisches Leder.
Nicht nur bei Husten: Eukalyptus
Einen ähnlichen Ansatz wie Ananas Anam verfolgt auch Niosa. Das kleine Start-up-Unternehmen stellt ebenfalls Lederalternativen her. Und zwar nicht aus Eukalyptus-Fasern. Der Denkansatz ist ein Ähnlicher wie der von Carmen Hijosa: umweltverträglich, genfrei, langlebig soll das Material sein. Derzeit sind schon Gürtel aus Eukalyptus-Leder erhältlich.
Weiterentwickelt: Kork-Leder
Wir von SewSimple lieben Korkstoff – und verwenden ihn super gerne für unsere Taschen und Täschchen. Aber auch hier bleibt die Entwicklung nicht stehen. Inzwischen gibt es bei Bleed Clothing bereits Jacken und T-Shirts zu kaufen.
Alternative: Kunstleder?
Auf den ersten Blick ist auch Kunstleder eine gute Alternative zu Leder tierischen Ursprungs. Es ist leicht, preisgünstig, vielfältig einsetzbar und robust. Allerdings ist es sowohl in der Herstellung (Rohöl-Basis) als auch in der Entsorgung nicht unproblematisch. Bei Bedenken und Fragen: Lieber mit dem Hersteller Kontakt aufnehmen und nachfragen!
In diesem Beitrag verraten wir dir, was man alles aus veganem Leder nähen kann. Dazu gibt’s viele Tipps und Freebooks für tierfreie Näh-Projekte!
Happy sewing,
deine Sabine
Kennst du schon unser Survival-Handbuch für den Näh-Dschungel? 😉
5 Antworten zu „Näh-Wissen: Veganes Leder | Myx, MuSkin, Piñatex“
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Interessante Idee!
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Vielen Dank!
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Vor dreißig Jahren war das mal angesagt in der Küche……bei mir auch …. was tat man nicht alles für die Gesundheit 😀 …. Täschchen davon klar ….Cool <3
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Voll cool, finde ich auch, Regine! Kommt alles wieder! 😉
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Braue auch seit ca. 3 Jahren Kombucha…. Lecker und gesund!
Bislang habe ich die Scobies pürriert für die Pflanzen verwendet.
Aber mal ne neue Idee!
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